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Bevor beschrieben wird, wie mein Vorgehen in Paris selbst aussah, fasse ich anfangs die Projektidee zusammen:

„Seit ich vor fünf Jahren das erste Mal in Frankreich war, fasziniert es mich. Diese Begeisterung für Land, Leute, Kultur, Städte, Essen... ist bestimmt noch nichts besonderes; geht aber bei mir doch so tief, dass ich unbedingt für eine Zeitlang dort leben möchte, um auch ein Stück weit französischen Alltag kennen zu lernen.
Für eine Arbeit dort würde es vielleicht reichen, Eindrücke einfach zu sammeln und zu dokumentieren, ein Bilderbuch für Erwachsene, auch Kinder, draus zu machen. Bilder, die nicht eine Geschichte, sondern tausende erzählen. Das ist der eine Teil, der aber auch die große Gefahr birgt, einfach nur zu leben und das an sich schon als Kunst zu sehen.
Ein anderes Thema beschäftigt mich seit langem und fließt auch in die Projektidee mit ein. Der spanische Regisseur Almodovar lässt in seinem Film Alles über meine Mutter eine Figur behaupten „Man wird umso authentischer, je näher man dem Bild kommt, das man selbst von sich hat.“ Ob man das so sehen kann, wurde auf meiner Klassenbesprechung im letzten Semester sehr intensiv diskutiert, eine Lösung war nicht zu finden. Aber auch hier frage ich mich eben, wie Persönlichkeit entsteht. Aus einem heraus, oder legen einem Außenstehende eine Rolle zurecht?
Besonders in diesem Zusammenhang faszinieren mich Frauenzeitschriften. Da wird ein umfassendes Weltbild geschaffen, das man nur noch überstülpen braucht, für jede wichtige Lebenssituation gibt es Tipps und Ratschläge, sogar Hilfestellung, mit welchen käuflichen Artikeln die Nachahmung der vorgestellten Welt leicht gelingt. Ein eigener kleiner Kosmos entsteht. Hier werden Bilder in Hochglanz angeboten, die man übernehmen kann, um sich selbst zu erschaffen. Sind diese Bilder dann Hilfestellungen auf der Suche nach sich selbst oder bergen sie eher die Gefahr, ein ganz falsches Bild von Realität zu formen? Die Zeit in Frankreich möchte ich nützen, eine eigene Zeitschrift zu entwerfen. Ich schaffe einen kleinen Kosmos. Anderes als bisherige Arbeiten von mir wird diese sehr subjektiv geprägt sein. Es entsteht ein Einzelstück, indem ich versuche, ein umfassendes Bild zu zeichnen, wie meine Welt sein sollte. Im Idealfall entwickelt vielleicht jeder Mensch so ein Magazin.
Ich stelle mir ein professionell aufgemachtes Magazin vor, französisch-deutsche Texte um ein klein wenig international, aber nicht englisch oder amerikanisch zu wirken. Reportagen, die alle relevanten Themen abdecken: Liebe, Mode, Kultur, ein wenig soziales Engagement, vielleicht Familie, Wohnen, Reisen, Essen, Einkaufen. Vielmehr möchte ich mich auf die Suche machen, nach meinen Wunschvorstellungen und Sehnsuchtsorten und herausfinden, ob mir das hilft, mich selbst zu finden. Bisher war mir solch eine Fixiertheit aufs eigene Ich fremd, nun kommt es mir aber so vor, als wäre dieses Projekt die einzig schlüssige Weiterführung meiner Arbeit.“

Auszüge der Projektbeschreibung aus der Bewertung um das Stipendium

In Paris habe ich die ersten beiden Monate vor allem genützt um Eindrücke zu sammeln, war viel mit dem Photoapparat unterwegs, bisher jedoch ohne feste Aufgabe. Diese Zeit war wichtig, um anzukommen und für mich eine Struktur zu finden, wie ich meinen Tag einteile, mich in der Stadt bewege. Ich habe bei einer Familie im Osten von Paris gewohnt, besuchte einen Sprachkurs und Ausstellungen.
Nach diesen zwei Monaten entschied ich mich für ein geplantes Vorgehen zum Erarbeiten der Zeitschrift. Jeweils eine Woche beschäftigte ich mich mit einem speziellen Thema, schlüpfte dazu in unterschiedliche Rollen. Diese Rollen ergaben sich aus meinen Wunschvorstellungen meinen Beruf betreffend.
So arbeitete ich eine Woche als Kinderbuchillustratorin an einem Kinderbuch, eine Woche an Illustrationen, eine weitere an einer Kollektion für meine Zeit in Paris. Hier entstanden Skizzen, Stoff- bzw. Photosammlungen, Kleidungsstücke. Dieses Rollenspiel sollte später den Stoff für Berichte, Reportagen in der Zeitung bieten, ich wollte über mich selbst als unterschiedliche Personen schreiben.
Überlegungen, ob diese Struktur nicht zu streng einengend und aufgesetzt wäre, brachten mich davon ab, sie weiterzuführen.
Stattdessen entschied ich mich, die Zeit in Paris möglichst bewusst zu leben, Eindrücke zu sammeln und erst zurück in Deutschland, mit Blick von außen, an die Gestaltung der Zeitschrift zu denken.
Für die Zeit in Paris bedeutete dass, sich jeden Tag zu überlegen, was interessiert mich eigentlich, zu was möchte ich arbeiten.
So entstanden verschiedene Versuche, mir Paris zu erarbeiten.
Das Ergebnis all dieser Untersuchungen waren vor allem Photos und Notizen, teilweise auch Tondukumente, gesammeltes Material.
Im Sommer überlegte ich dann allerdings auch, von der Zeitschrift abzukommen und stattdessen eine Art styleguide zu entwickeln. Ein solcher wird in der Regel von Designbüros für Unternehmen entwickelt, um darin sowohl äußeres Erscheinungsbild, Kommunikation als auch das Leitbild, die Philosophie zu definieren.
Da es mir ja auch um eine idealisierte Vorstellung von mir selbst ging, kam mir eine Darstellung in dieser Form konzentrierter, schlüssiger vor.
Schließlich hatte ich aber auch die Befürchtung, mich damit nur vor der Gestaltung der Zeitschrift zu drücken und letztlich auch zu viele Aspekte, kleine Geschichten unter den Tisch fallen zu lassen.
Es ging mir weiterhin darum, das Wunschbild zu dokumentieren, das ich in Paris entwickelt hatte. Aber eine direkte Beschreibung fand ich zu platt, überlegte daher, was einen Menschen eigentlich beschreibt und fand, dass das, was man tut, schafft, indirekt viel über jemanden erzählt. Also sind in der Zeitschrift Berichte zu sehen, die auf den ersten Blick von unterschiedlichen Personen stammen und versuchen, sich Paris von verschiedenen Seiten zu nähern.